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Nur auf den Kurs schauen

von | Apr. 7, 2020

Eine bekannte Aussage von Warren Buffett ist, dass die meisten Anleger Geld beim Investieren in Aktien verlieren, weil sie nur auf den Kurs schauen.

Was er damit meint, haben wir im Detail im Kapitel „sicher investieren
Erklärt. Schauen wir uns nun weitere praktische Beispiele an.

Die Bäckerei
Angenommen ein Anleger kauft ein Bäckereikette mit 100 Filialen.

Damit die Kette in der Gründungsphase schneller expandieren konnte, hat sie sich Kapital über die Börse beschafft. Also genau wie McDonalds vor 80 Jahren. Unsere Bäckereikette ist also nun eine Aktie,
mit 100 echten Backstuben.

Damit das nachfolgende Beispiel einfacher wird und man die Zahlen etwas besser „fühlt“, vereinfachen wir etwas und sagen, es bestehen nicht 100 Filialen, sondern nur 1 Filiale.

Wir erinnern uns: Warren Buffetts Empfehlung ist, immer so zu tun, als würden wir das „ganze Unternehmen“ kaufen.
Also kaufen wir zunächst nur 1 Backstube und multiplizieren später unsere Gedanken mit 100 Filialen.

Unser erster Kauf
Was sind also die Zahlen für unsere 1 Backstube? Für welchen Preis können wir sie kaufen und was ist der jährliche Gewinn? Lohnt sicher der Kauf?
Die Geschäftszahlen sind wie folgt.

Der Kaufpreis unsere 1 Backstube beträgt 1.800.000 Mio EUR in Jahr 1.
Der Gewinn in Jahr 1: 100.000 EUR.
Da wir vergleichbare Backstuben bereits kennen, wissen wir, dass eine Bäckerei ein sehr konstantes Geschäft ist. Die Gewinne schwanken fast nicht. Menschen essen auch in Krisenzeiten Brötchen.

Als Anleger der die Zahlen vor dem Kauf einer Aktie prüft (ähm, Moment.. wie erinnern uns, dem Kauf eines >Unternehmens<), können wir sogar bereits jetzt schon ein paar Berechnungen anstellen. Fast schon im Schlaf können wir die Rendite und den Multiple berechnen:

    Rendite = Gewinn/Kaufpreis
    Multiple = Kaufpreis/Gewinn

Wir erhalten dann:

Als 5,6% Rendite im Jahr 1, also dem Jahr in dem wir die Backstube kaufen könnten. Da die Zahlen gut aussehen, schlagen wir zu und kaufen.

2 Jahre später
Die Zeit vergeht wie im Flug und schon wieder sind 2 Jahre verstrichen.
In Jahr 2 und Jahr 3 sind sogar jeweils interessierte Käufer durch die Tür gelaufen, und wollten uns die Bäckerei abkaufen.
Den Preis den Sie angeboten haben, war jeweils 1,7 Mio in Jahr 2 und 1,9 Mio. in Jahr 3.

Wir könnten zum jetzigen Zeitpunkt sogar schon den Verlauf der Kaufpreise graphisch abtragen. Der Chart würden dann so aussehen.

Trotz der Kaufangebote, verkaufen wir unsere Backstube nicht. Warum? Weil wir natürlich die Zahlen kennen und diese jedes Jahr wieder berechnet haben. Dies waren nämlich für Gewinn und Rendite wie folgt:

Das heißt, in Jahr 2 haben wir 95.000 EUR Gewinn mit unsere Bäckerei erzielt und in Jahr 3 wieder unsere gewohnten 100.000 EUR. Der Kaufpreis von 1,9 Mio. war uns daher auch nicht hoch genug.

Nun passiert etwas merkwürdiges. Eine fiese Mehlwurmplage bricht in Deutschland aus. Es ist nicht irgendein Mehlwurm. Sondern eine Spezies, die, wenn man sie isst, 1 von 1.000.000 Menschen stirbt.
Panik bricht im Land aus. Niemand möchte der eine sein, den in dien fiesen Mehlwurm beißt.

Schlagartig fällt der Umsatz der Bäckerei und die Gewinne brechen ein.
Es ist Panik bei den Investoren im Bäckereigeschäft angesagt. Alle wollen verkaufen. Das einst so sicher gedachte Geschäft wird von einem kleine Wurm lahmgelegt.

Jetzt zählt nur noch Cash. Die Kurse fallen. Und fallen. Und fallen. Der einstige Kaufpreis von 1,8 Mio. war einmal. Hätte man doch nur den Kaufpreis von 1,9 Mio. im Jahr 3 angenommen denkt man sich. Und nun, welchen Preis bekommt man angeboten, wenn sich denn in aller Seltenheit ein Käufer wieder einmal durch die Tür unsere Backstube findet? 1,1 Mio. bietet er uns. Ein herber Rückschlag.
Wie sieht nun unser Chart aus?

Ohn weia.. Das könnte noch übler werden. Was ist im nächsten Jahr denkt man sich. Sie überlegen ihre Bäckerei zu verkaufen. Besser für 1,1 Mio. also für keine Million.

Zum Glück kommt ihr Freund, Herr Fuchs und spricht ihnen Mut zu.
„Das wird schon wieder. Die Menschen essen Brötchen. Der Wurm gerät bald in Vergessenheit. Außerdem findet sich sicher eine Lösung, wie man diese seltene Sorte schon bald ausrottet“. Zu den weitsichtigen Worten fügt Herr Fuchs hinzu: „Wie sehen denn deine Geschäftszahlen für Jahr 4 aus? Ist es wirklich so schlimm?“

Erschrocken stellst du fest, dass du vor lauter Angst ganz vergessen hast, auf die Zahlen zu schauen. Die Antwort an Herrn Fuchs ist: „Keine Ahnung was die Gewinne in Jahr 4 sind… Ich schaue kurz nach“.
Und du zeigst Herrn Fuchs folgende Zahlen:

Also die Angst dann so langsam schwindet, kannst du selbst kaum den Zahlen glauben. Wie kann das denn sein? 70.000 EUR Gewinn? „Das ist ja mehr als ich gedacht hätte“. Wo kommen die denn her? Es waren doch gefühlt kaum Kunden Brötchen gekauft?

Herr Fuchs schmunzelt und stellt dir die Frage: „Was glaubst du denn, wie werden sich die Gewinne in den nächsten 3 Jahren entwickeln?“.

Du denkst dir: „Naja, eigentlich hat Herr Fuchs ja recht. Der Mehlwurm ist bestimmt in 2 Jahren aus den Köpfen. Und so schlecht waren meine Zahlen ja gar nicht.“

Du sagst Herrn Fuchs: „Vermutlich werde ich wieder meinen alten Gewinne erreichen. 95.000 EUR? 100.000 EUR?“.

Und dann sagt Herr Fuchs. Also wenn du jetzt deine Backstube verkaufen würdest, und im nächsten Jahr ist der Gewinn deiner Backstube wirklich wieder bei 95.000 EUR (Herr Fuchs ist zurückhaltend optimistisch), „wie hoch wäre denn dann die Rendite des Käufers, an die du verkaufst?

Du schaust Herrn Fuchs an. Die Formel kannst du mittlerweile genauso gut wie Brötchenbacken. Du kannst es kaum glauben, dass du je über einen Verkauf nachgedacht hast. Denn deine Berechnung ergibt:

In der Nüchternheit der Zahlen, denkst du dir sofort: „Wegen einem kleinen Wurm soll ich mein Unternehmen verkaufen? Auf gar keine Fall! Kaum zu glauben, dass ich das überhaupt machen wollte.“

In deinem Freundeskreis, den anderen Bäckermeistern, hast du dann in den nächsten Tagen festgestellt, dass diese vor lauter Angst doch verkauft haben. Lieber die sichere Million also gar keine Million haben sie dir gesagt. Du schaust sie verblüfft an. Waren das nicht noch genau deine Gedanke.

Du denkst dir: „Mein armer Kumpel, er hatte keinen Herrn Fuchs, der ihm zum richtigen Zeitpunkt eine Prise Vernunft durch die Gehirnwindungen gepustet hat.“ Das wäre ein teurer Fehler für mich gewesen.

Herr Fuchs ist natürlich schon ein paar Schritte weiter. Und kennt die 3 Gründe, wieso Aktienkurse (also Kaufpreise) steigen. Und weil er sein Metier aus dem FF kann, zieht er sofort den Vergleich zu seinen Immobilienkäufen und denkt sich: „Hier könnte es bald zu einer Bewertungsausweitung kommen“. Der Preis von 1,1 Mio. bzw. 8,6% Rendite für eine Bäckerei ist doch viel zu günstig.

Normalerweise werden Bäckereien für 5-6% (er wählt den Durchschnitt von 5,5%) gekauft und verkauft.

Also schlägt er Fuchs zu. Für 1,1 Mio. kauft einer einem vor lauter Panik ängstlichem Bäckereimeister die Backstube ab.

Was macht Herr Fuchs nun?
Er macht das, was er in so einer Situation am besten tun kann:
Er wartet.

Er wartet, bis die Angst vorüber ist. Und er einen Käufer gefunden hat, der ihm zu rationalen Preisen seine Backstube abkauft.

Und es kommt, wie es kommen musste. Bereits nach 1 Jahr ist der fiese Mehlwurm aus dem Kopf der Leute. Alle gehen wieder in die Backstube und kaufen fleißig Brötchen. Die sind ja schließlich auch lecker.

Und mit der üblichen Anzahl verkaufter Brötchen, kommt auch der übliche Gewinn in die Kassen. Es läuft wie gewohnt. Auch die Jahre danach. Und es stellt sich folgende Gewinnentwicklung ein:

In Jahr 5 konnten sage und schreibe ganz 100.000 EUR Gewinn erzielt werden. Na klar, schließlich hat sich all der Hunger im Magen der Menschen angestaut. Auch die Jahre danach vierliefen wunderbar.

Und wie hat sich der Kaufpreis der Backstube entwickelt?
Wie erwartet:

Jedes Jahr kamen Käufer durch die Tür und zu ca. 5,5% ihr Angebot unterbreitet. Der fiese Mehlwurm ist längst vergessen.

Da der Bäckermeister seine Zahlen sauber pflegt und bei jedem Kaufpreisangebot nachrecht ob es sich lohnt zu verkaufen, ist auch seine Tabelle aktuell:

Herr Fuchs Tabelle sieht natürlich etwas anders aus. Denn er hatte die Rechnung der erwarteten Gewinne für die Folgejahre gemacht.
In seiner Tabelle steht in Jahr 4 ein fiktiver Gewinn von 95. Also 95.000 EUR. Und somit eine Rendite auf den Kaufpreis von 8,6%. Das hatte er ja schon einmal ausgerechnet.

Unser guter Herr Fuchs ist natürlich überaus glücklich über die Entwicklung. Denn welche Rendite hat er in nur 1 Jahr gemacht?

Klar.. Er wusste der Kaufpreis würde sich sehr wahrscheinlich wieder dem „fairen Wert“ anpassen, also hier den 1,9 Mio. EUR. Gekauft hatte er für 1,1 Mio. vom panikdurchzogenen Bäckermeister den der kleine aber fiese Mehlwurm verschrocken hat.

Herr Fuchs rechnet seinen Gewinn aus und erhält:

Wow.. +72%! Und das in nur 1 Jahr.
Herr Fuchs ist eigentlich wenig verwundert.

Denn bei Immobilien hat er das auch schon oft gemacht und diese Renditen kennt er bereits gut. Natürlich gibt es solche Chance nicht oft, aber von Zeit zu Zeit, schlägt der Fuchs zu. 

Was können wir von Herrn Fuchs lernen?
Natürlich: „Nicht auf die Kurse schauen„, sondern auf die Zahlen!

Zurück in die Realität der Börse und Aktien
Wie im Grundlagenkurs erwähnt, sind Aktien nichts anderes als Unternehmen. Und die Börse ist ein Marktplatz. Auf diesem Marktplatz trifft man von Zeit zu Zeit sehr irrationale Marktteilnehmer an.
Hat man nur den Blick auf den Aktienkurs, kann es schnell passieren, dass man eine Entscheidung trifft, die man nur kurze Zeit später bereut. Natürlich ist uns allen klar, dass bei einem solchen Chart in Jahr 4 schnell besorgte Emotionen entstehen können:

Erst der Blick auf die Zahlen und das ganz klare Verständnis, dass man Unternehmen kauft und keine „Aktien“, hilft aus dieser emotionalen Falle herauszukommen.
Und wer es schafft, wird sogar meist mit einer sehr guten Rendite belohnt 😉

Für die extra Fleißigen:
So sieht der Verlauf von Aktienkurs und Gewinnentwicklung der Bäckerei aus. Bei einer solchen Art der Darstellung wird sofort ersichtlich, wann Aktien zu günstig verkauft werden und wann das Chance/Risikoverhältnis sehr gut ist.

Zwingt man sich, die Gewinne und Renditen eines Unternehmens zu kennen und in z.B. einem Excel Sheet zu erfassen, ist es bedeutend einfacher die Emotionen an der Börse in Zaum zu halten.

Häufiger Fehler 2: „Was stark steigt…“
Im nächsten Artikel gehen wir auf einen weiteren typischen Fehler ein. Die Meinung, dass „Was stark steigt muss stark fallen“. Oder anders ausgedrückt: „Eine hohe Rendite muss immer ein höheres Risiko bedeuten“.
Mit unserem Wissen aus diesem Artikel können wir zumindest ein Szenario aufzeigen, in dem das vielleicht nicht immer der Fall sein muss. Warren Buffett spricht diesen Zusammenhang im Übrigen auch an und sagt, dass er froh ist, dass an Universitäten obigen Irrglaube gelehrt wird. Schauen wir uns an, was er genau meint.

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