Warum steigen Aktien langfristig?
Es kann leicht passieren, dass man durch den kurzfristigen Blick, den langfristigen Verliert.
Dies trifft auch beim Investieren zu.
Schauen wir uns einmal den Kursverlauf der 500 größten Unternehmen in den USA an – und zwar über einen Zeitraum von 100 Jahren.
Es ist unschwer zu erkennen, dass der Trend aufwärtsgerichtet ist. Um genau zu sein, im Durchschnitt mit ca. 8% pro Jahr.
Die Crashpropheten
Trotz dieser Entwicklung über 100 Jahre gibt es eine Vielzahl Menschen, die felsenfest davon überzeugt sind, dass bald der große Crash kommt. Der Crash wird dann oft gleichgesetzt mit dem Gedanken, dass man „alles“ verliert. Und sich auf jeden Fall mit Gold absichern muss.
Dieser Gedanke, dass man „alles“ verliert, passt nicht mit der Historie zusammen. Natürlich kommt Phasenweise immer mal wieder ein so genannter Crash.
Aber ein Crash ist nichts anderes als ein temporärer Kursrückgang. Die wesentliche Frage ist, wird dieser Kursrückgang wieder aufgeholt? Der Chart oben, gibt eine Antwort auf diese Frage.
Natürlich sind sich die Crashpropheten ihrer Strategie bewusst. Eine der stärksten Emotionen im Menschen ist die Verlustangst. Es gibt vermutlich kein anderes Thema, dass so stark polarisiert, wie der Glaube an den Untergang. Im Vertiefungsartikel „Der Crash, ein ideales Marketinginstrument“ gehe ich auf dieses Thema näher ein und wie es meiner Meinung nach einzuordnen ist.
Long Bias
In Börsensprache spricht man davon, dass Aktien (also Unternehmen) einen Long-Bias haben. Also auf lange Sicht steigen.
Kauft man einen Durchschnitt an Unternehmen (also z.B. die 500 größten Unternehmen in den USA um das Risiko eines Einzelinvestments zu vermeiden), zeigt sich über lange Zeiträume der Kursverlauf im Bild oben.
Möchte man sein Geld nun zu dieser Rendite anlegen, geht das am einfachsten über den kauf eines S&P 500 ETFs. Wie das genau funktioniert und welcher ETF der Richtige ist, wird im Kurs 2 im Kapitel ETFs erklärt.
An dieser Stelle sind jedoch die Grundlagen viel wichtiger. Hat man die Wirkzusammenhänge – warum Aktien steigen – einmal verstanden, ist das „was soll ich kaufen“ relativ einfach. Das „wieso kaufen“ ist meist die viel größere Herausforderung, da die Angst einen immer misstrauisch bleiben lässt. Diese Angst zu überwinden, ist die schwere Aufgabe.
Kommen wir daher zurück zum Chart, der die langfristigen Entwicklung zeigt. Über 100 Jahre sind Aktien gestiegen. Hat man dieses Bild einmal gesehen, stellen sich früher oder später unweigerlich zwei Fragen
- Wieso sind Aktien über 100 Jahre mit ca. 8% gestiegen?
- Steigen sie auch in Zukunft weiter?
Was passiert also in den nächsten 100 Jahren?
The Wealth of Nations – Adam Smith
Interessanterweise hat Adam Smith in seinem Buch „The Wealth of Nations“ vor über 400 Jahren bereits die Antwort auf diese Fragen geliefert.
Er hat sich der Frage gewidmet: „Wie Wohlstand entsteht“.
Auf den Inhalt gehen wir gleich im Detail ein. Aber die Antwort kurz vorweggenommen:
Wieso steigen Aktien?
Wohlstand – und daraus folgend auch steigende Aktienkurse – entstehen durch Erhöhung der Produktivität.
Zwar wird der Inhalt von Adam Smith an Universitäten gelehrt, aber Wenigen ist die Implikation wirklich klar und in Fleisch und Blut übergegangen.
Weil dieser Zusammenhang zwischen Wohlstand (steigenden Aktienkursen) und Produktivität so wichtig ist, ist eines der vier Buchempfehlungen von Warren Buffett auch das Buch von Adam Smith (eine vollständige Liste der Buchempfehlungen hier). Die Wichtigkeit der Inhalte, darf also nicht unterschätzt werden.
Was sagt Warren Buffett
In seinem Geschäftsbericht aus dem Jahr 2015 erwähnt Warren Buffet diesen Zusammenhang noch einmal ganz direkt:
Was meint Adam Smith nun mit Produktivität? Bzw. was möchte Warren Buffett mit dem Beispiel „Farming“, also der Landwirtschaft, sagen?
Wieso steigt Produktivität?
Machen wir ein simples Beispiel.
Angenommen vor 5000 Jahren hat ein Bauer mit einer Schaufel sein Feld bestellt. Mit dieser Schaufel hat er jährlich einen Ertrag auf seinem Feld von 1000 Einheiten Getreide erzielt.
Nun kommt ein paar Jahrtausende später ein Erfinder auf eine Idee, wie er das Bestellen und Ernten des Feldes beschleunigen kann.
Du errätst es sicher schon, was der Erfinder entwickelt hat.. Den Pferdepflug. Nun kann der gleiche Bauer nicht 1000 Einheiten Getreide pro Jahr generieren, sondern auf einmal Faktor 10, also 10.000 Einheiten.
Denken wir das Beispiel weiter.
Noch einmal ein paar Jahrhunderte später kommt ein anderer Erfinder auf die technische Idee eines Traktors, der statt von einem Pferd mit Benzin betrieben wird. Und noch einmal erhöht sich die Produktivität des Bauern um Faktor 10. Also bereits 100.000 Einheiten pro Jahr.
Aber hier hört die Produktivitätssteigerung noch nicht auf.
Vor ca. 15 Jahren haben Erfinder satellitengesteuerte Traktoren entwickelt. Nun sitzt der Bauer zu Hause am Schreibtisch und steuert über seinen PC gleichzeitig 10 Traktoren. Noch einmal erhöht sich die Produktivität um Faktor 10.
Der Output des Bauern hat sich also im Zeitverlauf erhöht. Oder anders ausgedrückt: 1 Bauer konnte früher vielleicht sich selbst und seine Familie ernähren. Heute ernährt ein Bauer 100.000 Menschen.
Dieser Effekt zieht sich durch die gesamte Wirtschaft.
Durch technischen Fortschritt passieren also zwei Dinge.
Entweder erhöht sich der Output in der gleichen Zeit. Oder man erzielt den gleichen Output in weniger Zeit. Das ist im Prinzip das Gleiche. Die Effizienz erhöht sich.
Beispiel Google
Ein anderes Beispiel ist z.B. das Unternehmen Google. Wenn man früher z.B. Preise von Telefonen vergleichen wollte, musste man von einem Geschäft zum Nächsten laufen und sich Angebote einholen.
Wirtschaftlich heißt das, es viel Arbeitszeit angefallen, es wurden Kosten produziert. Da wir in dieser Zeit nichts anderes tun konnten.
Heute müssen wir nicht mehr z.B. 4 Stunden laufen. Es müssen im Ladengeschäft auch weniger Mitarbeiter angestellt werden, weil nicht alle Kunden nach Angeboten fragen. Das heißt auch hier hat sich die Produktivität (Effizienz) erhöht. Weniger Kosten für das Geschäft.
Denn heute suchen wir via Google, finden eine Preisvergleichsseite, wählen den günstigsten Anbieter und sind in ca. 30 Minuten fertig mit dem Vergleich. Und oftmals führen wir dann noch die Bestellung im selben Zuge durch. Alles maschinell, ohne menschliche Arbeitskraft.
Jeder von uns spart sich somit 3 Stunden und 30 Minuten und kann in dieser Zeit andere Dinge erledigen. Oder sich entspannen. Was im Übrigen auch der Grund ist, wieso es uns heute besser geht als früher. So war die 6-Tage Woche Gang und Gäbe. Und heute wird über die 4-Tage-Woche gesprochen. Eine beeindruckend Entwicklung. Und direkte Folge des technischen Fortschrittes, weil das Gleiche Ergebnis (also die gleichen Güter) in weniger Zeit produziert werden können.
„Output = Gewinn = Aktienkurs“
Die Erhöhung der Produktivität ist also nichts anderes, als die Erhöhung des Outputs pro Zeit. Es werden also mehr Produkte oder Dienstleistungen in der gleichen Zeit produziert.
Und mehr Produkte und Dienstleistungen, bedeutet mehr verkaufbare Produkte, also eine Umsatz-Erhöhung für Unternehmen.
Und mehr Umsatz bedeutet mehr Gewinn. Und je mehr der Gewinn eines Unternehmens steigt, desto mehr steigt der Aktienkurs. Da der Aktienkurs nur ein vielfaches des Gewinns eines Unternehmens ist.
Im Bild sieht man noch einmal diesen Zusammenhang.
Dieser Effekt wird auch jährlich gemessen. Die Anzahl produzierter Güter in einer Wirtschaft wird Bruttoinlandsprodukt (BIP) genannt. Auf englisch „Gross Domestic Product“ (GDP).
Da die USA über längere Zeiträume diese Daten erhoben hat, ist im nachfolgenden Chart diese Entwicklung abgetragen. Der Effekt ist jedoch in Deutschland und anderen Ländern ähnlich.
US GDP pro Kopf
Die Grafik zeigt das GDP pro Kopf über 90 Jahre. Also die Output-Erhöhung pro Person. Man sieht, diese steigt sehr kontinuierlich mit ca. 2% pro Jahr.
Wenn man einmal Warren Buffett in Interviews davon reden hört, dass der Wohlstand in den USA sich versechsfacht hat, dann meint er genau diese Grafik. Eine Person hat also heute sechs mal mehr Güter, also mehr Produkte und Dienstleistungen, zur Verfügung. (Rechnung: 2% p.a. * 90 Jahre = ~6)
Wenn also die Oma oder der Opa das nächste Mal wieder erzählt: „Kind, du hast so viel mehr als wir damals“, dann braucht man kein schlechtes Gewissen zu haben, sondern kann sagen: „Du hast Recht. Und dies haben wir dem technischen Fortschritt zu verdanken“.
Höhere Produktivität, höhere Aktienkurse
Fassen wir also zusammen.
Der hier beschriebene Effekt, dass wir durch Technologie immer weiter unsere Produktivität erhöhen, ist der Grund warum Aktienkurse im Durchschnitt über lange Zeiträume steigen.
Wieso steigt nun der S&P 500 – also die 500 größten Unternehmen der USA – mit 8%? Und das GDP mit 2%?
Weil das GDP der durchschnitt der gesamten US-Wirtschaft ist. Also alle Unternehmen in den USA. Und alle Unternehmen in Summe sind also 2% pro Jahr in den letzten 90 Jahren gewachsen.
Die größten 500 Unternehmen hingegen, konnten 8% pro Jahr an Wert hinzulegen. Haben also 8% pro Jahr ihre Produktivität erhöht.
Die nächsten 100 Jahre?
Aber nun ist sicher die spannenden Frage:
„Was passiert die nächsten 100 Jahre?“
Werden Aktienkurse weiter steigen oder bricht genau ab dem jetzigen Zeitpunkt (wie einige jedes Jahr aufs Neue meinen und vermutlich auch schon vor 50 Jahren behaupteten) das ganze System zusammen?
Ich würde hier mit Zuversicht widersprechen.
Eine bessere Frage
Wenn man die Frage stellt „steigen die Aktienkurse im Durchschnitt auch über die nächsten 100 Jahre“, dann ist eine zielführendere Frage:
„Wird sich der Gewinn der Unternehmen, also die Produktivität, auch in Zukunft erhöht können?
Hier kann natürlich jeder eine Abschätzung treffen. Aber meine Meinung ist, dass die Produktivität sich sogar noch stärker erhöhen wird, als in den letzten 100 Jahren.
Durch Roboter, eine weiter zunehmende Digitalisierung und künstliche Intelligenz. Um nur ein paar der großen Trends zu nennen, die zu mehr Output in weniger Zeit beitragen.
Man darf also optimistisch sein, dass der langfristige Trend, dass Aktien weiter steigen, anhält.
Bleibt also die Frage, welche Unternehmen schaffen es kurzfristig (also über 1-10 Jahre) ihre Gewinne stärker zu steigern.
Diese Frage betrachten wir im nächsten Artikel.